Ich frage mich seit längerer Zeit, wie Menschen im Internet mit der ihnen gegebenen Freiheit umgehen, nämlich schreiben zu können, was sie wollen.
Wie man hier in diesem Forum ganz klar erkennen konnte, wird die "Freiheit von" eifrig genutzt. Es wurden offen - ohne Zwang oder Unterdrückung - Meinungen ausgetauscht, Erkenntnisse gewonnen und heftige Diskussionen geführt. Das alles ist der Sinn eines solchen Forums.
Leider wurde aber auch die Freiheit dazu gebraucht, Tritte zu verteilen, und nicht nur Tritte gegen das Schienbein, die man zur Not noch wegstecken kann, sondern Tritte unter die Gürtellinie. Und diese Tritte haben mich zum Nachdenken gebracht.
Weshalb benehmen sich Menschen so im Internet? Ist es die Anonymität, die die "Freiheit von" ausarten läßt?
Nun erhebt sich die Frage: was ist dieses "Freiheit von" eigentlich, was bedeutet dieser Ausdruck, den ich hier verwende?
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat eine sehr gute Erklärung für Freiheit erstellt:
Freiheit
F. ist ein Grundbegriff moderner Demokratien und zählt zu den wichtigsten Grundund Menschenrechten.
F. wird in der Geschichte unterschiedlich interpretiert: In der Antike war ausschließlich eine kleine städtische Minderheit (Bürger und Adel) frei; im Mittelalter herrschten verschiedene Abstufungen von F., die von der jeweiligen gesellschaftlichen Stellung abhängig waren; die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in den Verfassungen einiger amerikanischer Kolonien und der Unionsverfassung von 1787 sowie die Französische Revolution 1789 legten die Grundlage für die neuzeitliche Definition des Begriffes.
Zu unterscheiden sind zwei (miteinander verbundene) Bedeutungen: a) die "Freiheit von etwas", d.h. die traditionelle, im europäischen Denken zentrale Forderung nach Unabhängigkeit und Abwesenheit von Zwang und Unterdrückung, und b) die "Freiheit für etwas", d.h. die inhaltliche Bestimmung, die tatsächliche Umsetzung und letztlich die Übernahme der Verantwortung für das, was ohne Zwang und Unterdrückung getan (oder unterlassen) wird.
http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=H3Z3BSUnd genau Punkt b ist die Antwort auf die Tritte unter die Gürtellinie.
Zitat:
die "Freiheit für etwas", d.h. die inhaltliche Bestimmung, die tatsächliche Umsetzung und letztlich die Übernahme der Verantwortung für das, was ohne Zwang und Unterdrückung getan (oder unterlassen) wird.
Die "Übernahme der Verantwortung für das, was ohne Zwang und Unterdrückung getan (oder unterlassen) wird" wird leicht vergesen, da eine gewisse Anonymtät angenommen wird. Man kann sich schnell mit einem Knopfdruck aus der Verantwortung wegklicken. Eine die andere Person verletzende Aussage kann schnell geschrieben und abgeschickt werden, der Abmeldebutton schaltet dann nicht nur den Namen, sondern auch das Gewissen aus.
Ob das letztendlich rechtlich haltbar ist, steht auf einem anderen Blatt und ist im Augenblick nicht relevant.
Relevant ist nur, daß dieses Wegklicken meiner Meinung nach eine Erklärung für die Tritte unter die Gürtellinie sein könnte.
Eine heftige Diskussion würde ich immer befürworten. Menschen müssen mit Leidenschaft diskutieren können, ohne befürchten zu müssen, angegriffen zu werden, müssen sich auch angemessen wehren dürfen.
Nur sollten sie im Internet nicht nur die "Freiheit von" in Anspruch nehmen, sondern sich gleichzeitig der damit verbundenen "Freiheit zu" bewußt sein.