Damit das Warten auf's Christkind nicht so lang wird, hier noch einmal meine Weihnachtsgeschichte vom vergangenen Jahr.
Zeitlos, witzig und frei erfunden, eventuelle Ähnlichkeiten mit bekannten Personen sind rein zufällig gewollt. Nun war es also wieder mal soweit, Weihnachten …
Eigentlich war es ja immer schon das schönste Fest des Jahres und ich entsinne mich, dass ich als Kind immer besonders aufgeregt war. Was würde ich geschenkt bekommen und wo war es versteckt, eigentlich waren dies für mich, bis zu einem bestimmten Alter, existenzielle Gedanken, die meine gesamte Vorweihnachtszeit bestimmten.
Heute hat sich dieses Bild allerdings gewandelt, es gibt durchaus Wichtigeres, in meinem Leben als Geschenke oder der geheime Ort, an dem sie versteckt sind, manchmal ist es traurig, wie sehr sich doch die Optik im Laufe eines Lebens verschiebt.
Ich saß am Küchentisch, trank meinen ersten morgendlichen Kaffee und genoss die herrliche Stille, der Mann der mir die Welt erklärt befand sich noch im Land der Träume und unsere Hunde taten es ihm gleich. Ich seufzte, ich liebte diese stillen Minuten frühmorgens, denn mein Herzallerliebster dudelte mich, seit dem Zeitpunkt an dem er beschlossen hatte, dass nun für ihn Weihnachten sei (ich fand Ende Oktober eindeutig zu früh, aber wen interessiert das schon), täglich von morgens bis zum späten Abend mit Weihnachtsklängen zu. Dieses Schneeflöckchen, Weißröckchen konnte ich mittlerweile rückwärts und es verfolgte mich sogar im Schlaf! Warum kam es nicht endlich geschneit, vielleicht würde Peter dann damit aufhören, es bzw. den Wettergott mit diesem vermaledeiten Song beschwören zu wollen!
Ja, weiße Weihnacht, dachte ich, das wäre ja mal was, aber ich konnte mich, wenn ich die letzten 25 Jahre Revue passieren ließ, nur an ein Weihnachtsfest erinnern, an dem dies der Fall war und man am 1. Weihnachtstag durch den frisch gefallenen Schnee einen Spaziergang machen konnte. Ich gebe zu, dass ich eigentlich jedes Jahr den lieben Gott auf innigste Weise darum gebeten habe, es doch bitte schneien zu lassen, aber irgendwas muss ich bei meinen beschwörenden Gebeten wohl falsch gemacht haben; hörte ER denn dieses fürchterliche Gedudel mit dem Peter mich quälte nicht?
Während ich meinen viel zu heißen Kaffee schlürfte, dachte ich darüber nach, was ich an diesem Weihnachten denn Feines kochen könnte. Würde es nach meinem Altargeschenk gehen, gäbe es wieder so eine furztrockene Pute, weil er die schon bei seiner Mutter immer bekommen hatte, aber in der Vergangenheit war es bei uns immer so gewesen, dass selbst ein Babyputer zu viel für uns zwei gewesen war und unsere Hundenasen sich über den Rest hermachen durften.
Meine Idee war es, in diesem Jahr vielleicht mal auf Entenbraten oder Weihnachtsgans – mein Traummann behauptet, er würde keine Gans mögen - umzusteigen, ich konnte mir nicht vorstellen, dass mein Herzblatt den Unterschied zum Truthahn bemerken würde. Eigentlich ging es ihm ja immer nur um das Drumherum, Klöße, Rotkraut und vor allem eine gute Soße. Ja, die Soße war für ihn das Wichtigste!
Ob er wohl bemerken würde, wenn ich ihm überhaupt kein Geflügel sondern einen Wildhasen präsentieren würde? Vermutlich nicht, bestenfalls würde er bei dem strengen Wildgeschmack verwundert bemerken, dass die Pute wohl irgendwie nicht mehr in Ordnung sei.
„Hach …“ – ein neuerlicher Seufzer entfleuchte mir, am liebsten würde ich es ja mit Scarlett O‘Hara halten und das Ganze auf morgen verschieben; da allerdings hatte ich wohl keine Chance, Weihnachten lässt sich nicht verschieben und kommt in jedem Jahr pünktlich an.
Verstohlen blickte ich auf die Küchenuhr, meine Güte, es war ja schon gleich Mittag und ich saß immer noch gedankenversunken bei meinem Kaffee und versuchte verzweifelt einen Essensplan zu entwerfen. Wenn ich so weiter machte, käme ich niemals rechtzeitig in die Läden um meine Einkaufsliste – die es ja noch nicht einmal gab – abarbeiten zu können.
Einkaufen an Weihnachten war auch so etwas, das ganz sicher nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte. Ich hasste es, zwischen schreienden Kleinkindern, hektischen, genervten Müttern und Ehemännern, die irgendwie immer an der falschen Stelle, mit den Worten: Nicht weggehen, ich komme sofort wieder … - auf einem der Gänge stehen gelassen wurden, weil sie eh für den Einkauf eher hinderlich, denn zu gebrauchen waren. Warum konnte man die eigentlich nicht für die Zeit des Einkaufs in der Nähe der Kassen deponieren, damit sie dann zum Bezahlen und Taschen tragen parat waren?
Ich schaltete meinen Fernseher an, der praktischer Weise in der Küche stand und wie nicht anders erwartet, landete ich inmitten von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ – ach ja, solche Wunsch-Haselnüsse könnten mir auch gefallen, ein schöner Schimmel und ein Prinz - ach neee, mir fiel ein, dass ich ja schon ein Prinzchen hatte, das schlafend in seinem Bette lag und von Schneeflöckchen und Weißröckchen träumte, währenddessen ich wie die Eule aus dem Film am Küchentisch saß und nicht wusste, was ich kochen sollte.
Irgendetwas fing auf einmal leicht an, in mir zu brodeln, warum blieb das mit dem Weihnachtsgedöns eigentlich immer an mir hängen? Irgendwie hatte ich, frustriert wie ich war, nicht schlecht Lust, meinem Prinzchen mal meine Version von dem Filmklassiker „Stirb langsam“ nahe zu bringen, die Gedanken schob ich allerdings schnell wieder beiseite, Weihnachten war doch schließlich das Fest der Liebe und des Friedens und ohne ihn wäre Weihnachten nicht mal halb so schön …
Plötzlich vernahm ich, dass die Tür vom Prinzengemach sich öffnete und mein Angebeteter in sein Schlappen stieg, die Hunde erhoben sich auch schwanzwedelnd und liefen ihm entgegen. Mir schwante, dass es nun mit der Ruhe vorbei sein würde …
Mein Schnuckelchen kam schlaftrunken in die Küche geschlurft, drückte sich ein krächzendes „Moin“ zwischen den Lippen hervor, zog sich am Kaffeeautomaten einen Kaffee und verschwand mit der Tasse in seinem Büro. Und es dauerte für mein Empfinden auch nur unwesentlich länger als den Bruchteil von Sekunden, als – wie konnte es anders sein, mein „Lieblings-Song“ von diesem schrecklichen Schneeflöckchen – erklang (hatte ich weiter oben geschrieben, dass Weihnachten ohne ihn nicht mal halb so schön wäre? Ich sollte das noch einmal überdenken!).
Ich versuchte es verzweifelt zu ignorieren und ertappte mich dabei, wie ich leis vor mich hin summte: Eins, zwei, drei – Freddy komm vorbei …
Janine! – ermahnte ich mich selbst – reiß Dich zusammen!!!
Plötzlich hatte ich die ultimative Eingabe das Weihnachtsmenü betreffend, ich würde gar nichts von den traditionellen Weihnachts-Gerichten kochen, sondern einfach ein paar tolle Rindsrouladen zubereiten, da war genügend Soße für meinen Schatz dabei und Rotkohl und Klöße passten auch. Ja genau, so würde ich es machen.
Die Einkaufsliste war mit diesem Einfall nun schwupp die wupp geschrieben und ich begab mich gut gelaunt ins Badezimmer, trotz aller Weihnachtshektik, eine halbe Stunde im Bad musste einfach drin sein. Während ich mich vor dem Spiegel um die Restauration meiner Altbaufassade bemühte, ertönte im Hintergrund bestimmt zum zehnten Male das musikalische Schneebettel-Gebet und überrascht stellte ich fest, dass ich leise mitsang!
Hach, das Leben an sich und vor allem Weihnachten konnte ja doch recht schön sein, im Gegensatz zu vielen Anderen hatte ich ja nicht einmal Stress damit, dass Opa, Oma, Lieblings-Onkel und Tanten bei uns einfielen, die hatten wir schon lang nicht mehr und wir konnten Weihnachten ganz besinnlich zu zweit verbringen.
Ich war gerade dabei, meine Lippen nachzuziehen, als der Gedanke an das Weihnachtsgeschenk, welches Peter in diesem Jahr von mir bekommen würde, dafür sorgte, dass ich mir den Lippenstift auf die Zähne schmierte, weil ich breit grinste. Ich hatte mir etwas ganz Besonderes für ihn ausgedacht!
Weil wir ja keine Verwandtschaft mehr hatten und wir somit von typischen Geschenken wie Socken, Krawatten und Parfümklassikern wie 4711 verschont blieben, hatte ich mir schon während des Sommers überlegt, dass mein Peterchen mit Sicherheit vor Freude Luftsprünge machte, würde er zu Weihnachten einen selbstgestrickten Wollpulli mit Rentiermuster bekommen. Ich hatte mich also im Hochsommer bei 35°C im Schatten immer dann, wenn er unterwegs war, hingesetzt und an einem solchen Teil gestrickt. Da ich aus Unwissenheit zu viel Wolle gekauft hatte, waren auch noch ein paar passende Wollsocken und eine Mütze mit Ohrklappen dabei heraus gekommen.
Ich freute mich schon jetzt diebisch auf sein Gesicht, wenn er seine Pakete auspacken würde.
Von nun an lief alles wie geschmiert.
Der Einkauf wurde in Rekordzeit erledigt, ich kochte das Essen vor, packte Peters Geschenke schnell noch ein, richtete eine festliche Tafel her – das machte ich immer ganz für mich allein – Peter war das nicht so wichtig, wenn denn am nur Ende genügend Soße für ihn da war, dann war er zufrieden.
Der Baum stand wie immer auf der Terrasse und wartete nur darauf, dass die Lichter endlich brannten und ich war mit mir und der Welt im Einklang.
Der Heilige Abend konnte kommen, ich war bereit!
Nachdem der letzte Rest von Tageslicht verschwunden war, alle Lichter in und ums Haus brannten, erklangen die letzten Töne von Schneeflöckchen, Weißröckchen - ich hatte es irgendwann im Laufe des Tages aufgegeben, mitzuzählen, wie oft es sich schon wiederholt hatte – und ging über in das traditionelle Glockengeläut.
Endlich, es war so weit! Bescherung!!!
Voller Vorfreude machte sich der Mann der mir die Welt erklärt, über seine Pakete her – das Gesicht welches er zog, auf Leinwand gebannt würde einen Kunstpreis erhalten. Es erklang ein kurzes, scharfes und dennoch prägnantes „Oh!“ – nicht dieses langgezogene „Oooohhhhh…“, welches normaler Weise erklingt, wenn sich jemand sehr freut.
Dennoch er hat seinen Pulli, die Socken und auch die Mütze tapfer angezogen und ich bekam Bauchweh von meinen Lachsalven.
An dieser Stelle sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass wir beide uns sehr ähnlich sind und ich bekam von ihm – wie konnte es auch anders sein - einen Satz wollene Medima-Unterwäsche, mindestens drei Nummern zu groß, damit ich länger was davon haben würde. Sprich damit ich da noch hinein wachsen konnte …
Um einen bildlichen Vergleich der Größe anzuführen, wenn ich, als wir uns kennenlernten, die Ausmaße eines schnittigen Sportwagens hatte, so rechnete er vermutlich jetzt damit, dass ich zukünftig das Volumen eines Doppelstockbusses erreichen würde – na ja, wenn ich mittlerweile auch nicht mehr dem schnittigen Sportwagen entsprach, sondern eher einem Kombi, so fand ich persönlich die gekaufte Größe ein wenig, wenn nicht gar reichlich übertrieben.
Wer ein bisschen Phantasie besitzt wird sich vorstellen können, welches Bild wir beide abgaben!
Peter mit schiefer Mütze auf dem Kopf und Rentierpulli, bei dem die Ärmel ein wenig lang geraten waren, dafür der Bereich um den Bauch ein wenig eng und um die Hüften reichlich zu kurz und ich in wollenen knielangen Riesenunterhosen, die ich ständig daran hindern musste, mir auf die Knöchel zu rutschen. Perfektioniert wurde das Ganze eigentlich nur noch dadurch, dass wir im Haus immer Birkenstocklatschen tragen, so selbstverständlich auch jetzt!
Wir hatten Spaß wie selten, wir sahen aber auch zu dämlich aus in unseren Outfits.
Nachdem wir uns einigermaßen beruhigt hatten, zogen wir uns um, und aßen unsere Rouladen und dieses Mal war Peters „Ohhhh!“ voller Begeisterung, weil es reichlich Soße gab, die mir zudem noch fantastisch gelungen war. Anschließend machten wir uns fertig, damit wir unseren alljährlichen Verdauungs-Spaziergang zum Heiligen Abend machen konnten.
Und man mag es kaum glauben, aber als wir die Tür öffneten, erwartete uns eine herrlich weiße Winterlandschaft, wir hatten bei unserer Herumalberei und dem guten Essen gar nicht bemerkt, dass es zu schneien begonnen hatte! Es war einfach wunderbar!
Die Schneeflocken tanzten mit uns und den Hunden um die Wette, wir schnappten uns Mützen und Besen und tollten auf dem Hof herum wie die Kinder. Auf der Dorfstraße rutschten die letzten Autos die Straße entlang, alle wollten möglichst schnell nach Hause – nur wir nicht!
Konnte es etwas Schöneres geben?
So etwas nennt man wohl perfekte Weihnachten!!!
Bleibt nun zum Schluss nur noch zu erwähnen, dass dies alles schon ein paar Jahre her ist und ich mich seither niemals mehr mit Meuchelgedanken getragen habe, wenn ich ab Ende Oktober mit Schneeflöckchen, Weißröckchen zugedudelt wurde. Dieses Musikstück ist mir mittlerweile – ob der schönen Erinnerung - heilig und ich kann mir Weihnachten gar nicht mehr ohne vorstellen. Ehrlich gesagt, mir würde etwas fehlen, wenn es nicht so wäre – ich freu mich drauf! Ach ja, in die Medima-Unterwäsche bin ich bis heut nicht reingewachsen und Peters Pulli ist unter mysteriösen Umständen irgendwann im Wäschetrockner gelandet, weiß der Geier, wie das passieren konnte …
© Janine MARKUS 2009