Die zehnjährige Karriere der frenetisch angekreischten Beatles markiert einen Paradigmenwechsel in der Popgeschichte:
Mehr als jede andere Band versinnbildlichen die "Fab Four" die Entwicklung von rüdem Rock’n’Roll zum ausgetüftelten Werk, von jugendlicher Hormonabfuhr zu künstlerischem Anspruch.
Befeuert war dies vom Zeitgeist: 1966 trumpften die vermeintlich so simpel-sonnigen Beach Boys mit der raffinierten Klangwelt ihres "Pet Sounds"-Albums auf – kurz darauf schlugen die Beatles mit "Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band" zurück. Dass bei ihnen auch Streichquartette (beginnend mit "Yesterday") zu hören waren, sicherte den Liverpoolern die Akzeptanz der Erwachsenen.
Hatte die Band Anfang der 60er noch in einem Lokal gespielt, das deshalb so hohe Vergnügungssteuer zahlen musste, weil die Auftritte nach dem Dafürhalten der Behörden "nicht im Geringsten den Anforderungen kultureller Darbietungen entsprechen", so trieben dieselben Beatles ein halbes Jahrzehnt später eine Entwicklung voran, die den Progressive Rock der 70er speiste.
Symphonische Stückfolgen wie am Ende des Beatles-Albums "Abbey Road" waren womöglich die Keimzelle jener ambitionierten bis übermotivierten Konzeptalben, die Bands wie Genesis, Yes und Emerson, Lake and Palmer über den 70er Jahren ausschütteten. Nur: Wer erinnert sich daran? Was bleibt, sind Gruppen wie die Beatles – als Klassik des Pop.
So gesehen nimmt es nicht wunder, Praktiken der "Ernsten Musik" in der heutigen Beatles-Verehrung zu finden: Produzent Phil Spector war es, der das letzte Album der mehr und mehr zerstrittenen Musiker mit seiner berüchtigten "Wall of Sound" ausstaffiert hat. Es erinnerte nicht von Ungefähr an puristische "Originalklang"-Bestrebungen, als dieses "Let It Be" 2003 in einer entschlackten Fassung herauskam.
Da passt es auch ins Bild, dass die Hoffnungsträger des klassischen Konzertbetriebs – jenes Jungvolk, das die Schuljahre hinter sich gelassen hat – die am stärksten wachsende Klientel der britischen Ohrwurm-Genies ist. Die Macht der Beatles, ohnehin nie die provokanteste Band ihrer Zeit, fußt heute auf einem Generationenkonsens. Wer die Abgrenzungsgefechte der Pubertät nicht mehr – oder in Zeiten konservativer Werte gar nicht – nötig hat, der darf mit Mama und Papa in den Familienchor einstimmen.
Null Jahre Beatles-Trennung: Viele zürnten Yoko Ono, bürdeten Lennons Frau die alleinige Schuld für ein Debakel auf – und übersahen die Vertrauensbrüche zwischen Lennon und Paul McCartney, übersahen die künstlerischen und geschäftlichen Differenzen innerhalb des Quartetts.
40 Jahre Beatles-Trennung: Auch Beethoven hatte seine miesen Seiten. Auch sein Schaffen versiegte eines Tages. Trotzdem ein ungetrübtes Hörvergnügen.
Die Trauerarbeit ist passé.