Ach, wissen Sie, ich mach diese Arbeit eigentlich nicht gerne, die Arbeit als Henker, meine ich.
Aber, jemand muss sie doch machen. Schließlich muss alles seine Ordnung haben und so eine Hinrichtung muss ordentlich ablaufen, nach festen Regeln.
Ich hatte mich, gleich nach der Verlegung meiner Legion nach Palästina, zum Dienst bei den Kreuzigungen gemeldet. Schließlich zahlten sie uns doppelten Sold für jede Kreuzigung und bei den vielen hungrigen Mäulern meiner Familie konnte ich
jeden Sesterz mehr sehr gut gebrauchen.
Es war schon ein merkwürdiger Gefangener, der uns damals zur Kreuzigung überantwortet wurde.
Pilatus, unser Statthalter, hatte ihn geißeln lassen und meine Kameraden von der VII. Kohorte hatten ihm eine aus Dornenzweigen geflochtene Krone auf den Kopf gedrückt. Das Blut aus den vielen Wunden floss ihm über das Gesicht.
Mit einem Purpurmantel bekleidet, von der Last des schweren Kreuzes niedergedrückt, das er selbst zu dem Hinrichtungsort namens Golgatha tragen musste, war er ein erbarmungswürdiger Anblick.
Ich sah den Zug von weitem schon kommen und bemerkte auch, wie der Gefangene immer wieder unter der Last des Kreuzes zusammenbrach, bis schließlich ein kräftiger Mann ihm das Kreuz abnahm und es an seiner statt den restlichen Weg trug. Später erfuhr ich dann, dass es ein gewisser Simon von Kyrene gewesen sein soll, der dem Gefangenen diesen Liebesdienst erwies.
Da staunte ich zum ersten Mal an diesem merkwürdigen Tag, und es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.
Wir hatten schon alles vorbereitet und hatten auch schon fleißig
gearbeitet. Das Loch für das Kreuz war gegraben, Hammer und Nägel lagen bereit und ich schnitzte noch an den Holzpflöcken, mit denen das Kreuz im Boden verkeilt werden sollte.
Während der Gefangene sich langsam zu uns hinauf bewegte, hatten wir schon links und rechts von der Grube, die das Kreuz des Gefangenen aufnehmen sollte, zwei andere Kreuze aufgestellt und zwei Verurteilte darauf genagelt. Das war schon schief gelaufen. Beide Gefangenen schrien und bäumten sich auf, als ich ihnen mit einigen schnellen Hammerschlägen die Nägel durch die Handwurzeln und die Füße treiben wollte. Fünf meiner Kameraden mussten sich auf sie werfen, um sie niederzuhalten, damit ich meine Arbeit verrichten konnte.
Hoffentlich machte der Gefangene, den wir jetzt noch zu kreuzigen hatten, nicht auch solche Schwierigkeiten!
Merkwürdig an diesem Tag war auch, dass unheimlich viele Menschen dieser Kreuzigung zusehen wollten. Ich sah einen ganzen Pulk von Hohenpriestern in ihren prächtigen Gewändern und
viel Volk und, als ich genauer hinsah, erkannte ich auch unseren Statthalter Pilatus unter ihnen.
Ich konnte gerade noch meine Kameraden warnen, so daß wir uns ordentlich ausrichten konnten, um unseren Statthalter mit erhobenem rechtem Arm und einem militärischen "Ave" zu begrüßen.
Auf meiner Liste sah ich, dass der Verurteilte, den wir jetzt noch, als den Letzten an diesem Tag, zu kreuzigen hatten, Jesus hieß.
Wir kreuzigten also diesen Jesus und brauchten keinerlei Gewalt anzuwenden.
Als das Kreuz noch auf der Erde lag, ließ mich Pilatus über dem Kopf des Gekreuzigten eine kleine Holztafel annageln, auf der stand: Jesus von Nazareth, der König der Juden.
Pilatus gab uns einen Wink und wir wollten das Kreuz aufrichten, als der Älteste der Hohenpriester hinzutrat, um die Inschrift auf dem Täfelchen zu lesen. Sogleich erhob er ein mächtiges Geschrei:
"Das ist nicht unser König! So geht das nicht! Du musst schreiben, dass er gesagt hat, er sei der König der Juden!"
Die übrigen Hohenpriester und ein Teil des Volkes fingen ebenfalls an, auf Pilatus einzubrüllen. Wir bildeten sofort einen Kreis um Pilatus, um ihn vor Angriffen zu schützen und zogen unsere Schwerter.
Selten habe ich meinen Oberbefehlshaber so ergrimmt gesehen, wie an diesem Tage. Mit vor verhaltener Wut verzerrtem Gesicht rief er ihnen entgegen: "Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben!"
Dann drehte er sich um und verließ, eskortiert von einem Teil meiner Kameraden, den Hinrichtungsort.
Wir richteten jetzt das Kreuz auf und verkeilten es im Boden, damit es fest stand und nicht wackelte.
Die Hohenpriester und das Volk verliefen sich ebenfalls, nachdem sie gesehen hatten, dass das Kreuz aufgerichtet war.
Unter meinen Kameraden entstand jetzt ein Streit. Die unter dem Kreuz abgelegte Kleidung des Jesus sollte verteilt werden, wie es dem Brauch entsprach. Da jedoch der ungenähte und aus einem Stück gewebte Purpurmantes bei weitem das wertvollste Stück der Kleidung war, wäre eine Verteilung für die anderen ungerecht gewesen. Während sie noch stritten und Anstalten machten, den Streit in eine Rauferei ausarten zu lassen, hatte ich die Idee, die Kleidung diesmal nicht aufzuteilen, sondern die gesamte Kleidung auswürfeln zu lassen. Das half und alsbald stieß der glückliche Gewinner Jubelschreie aus, während die Verlierer Flüche murmelten.
So eine Kreuzigung ist ein langsamer, qualvoller Tod. Der Tod tritt durch Ersticken ein. Man kann es etwas beschleunigen, indem man dem Delinquenten die Beine bricht, damit er sich nicht mehr mit seinen Füßen abstützen kann und sein ganzes Gerwicht nur noch an den Armen hängt. Aber, soweit waren wir an diesem Tage noch nicht und bei diesem Jesus sollte es auch überhaupt nicht dazu kommen.
Zunächst mal verlangte Jesus, dass er etwas zu Trinken bekäme. Das ging nicht. Jemand von uns hätte mit einer Leiter hochsteigen müssen, um ihm einen Becher mit Wasser zu reichen.
Also nahm ich einen Schwamm, tränkte diesen mit Essig, steckte ihn auf eine Stange und führte sie dem Jesus an die Lippen.
Und wieder geschah etwas Merkwürdiges. Nachdem er die Flüssigkeit zu sich genommen hatte, neigte er seinen Kopf und sagte laut und vernehmlich: "Es ist vollbracht!"
Ich dachte, er sei in eine Bewusstlosigkeit gefallen. Da es sehr dunkel wurde und unangenehme Wolken, verbunden mit einem heftigen Wind, aufkamen, brachen wir also den beiden zusammen mit Jesus gekreuzigten die Beine, um ihr Sterben zu beschleunigen und um sie noch vor Ausbruch des Unwetters abnehmen zu können.
Als wir zu jesus kamen, hing sein Kopf schief auf die Brust herunter.
Ich überlegte. Wenn er wirklich tot war, brauchten wir seine Beine nicht mehr zu brechen. Wenn er noch lebte, konnten wir das leicht feststellen. Also nahm ich meine Lanze und stieß sie Jesus in die Seite. Und als Blut und Wasser aus der Wunde hervortraten, da wusste ich, dass er tot war.
Inzwischen war ein furchtbares Unwetter über Jerusalem heraufgezogen, wie ich es noch niemals erlebt hatte. Der Himmel öffnete seine Schleusen, Sturzbäche von Regen klatschten auf die Erde, der Sturm heulte, unaufhörlich zuckten Blitze und hallten dröhnende Donnerschläge und der Himmel am Horizont leuchtete fahlgelb.
Da machten wir, dass wir fortkamen und den Schutz der Kaserne erreichten.
Ja, ich habe später noch viele Kreuzigungen geleitet. Es war zur Routine geworden. Jeder Handriff saß und war eingeübt. Es lief eben alles ordentlich ab. Aber, diese eine Kreuzigung von diesem Jesus, werde ich mein Lebtag nicht vergessen.
Eine mal etwas andere Karfreitagsgeschichte, nach dem Evangelium des Johannes, Kapitel 19
Vers 17 bis 37, vor zwei Jahren verfasst vom Frosch